13 Dezember 2010

Über die Unsterblichkeit der Seele

Der Philosoph Sokrates wurde 400 v.Chr. zum Tod verurteilt und musste den Giftbecher trinken, weil er angeblich die Jugend verderbe und die Götter missachte. Die Stunden vor seiner Hinrichtung verbrachte er philosophierend im Kreis seiner Schüler. Dieses letzte Gespräch ist von Platon wiedergegeben. Dort zeigt er einen Sokrates, der den Tod nicht fürchtet.

Sokrates führt einen meisterhaften Gedankengang vor, durch den er zu beweisen versucht, dass die Seele unsterblich ist. In weiser Gelassenheit trinkt er am Ende den Giftbecher und übergibt seinen Körper der Vergänglichkeit. Seine Seele aber ist befreit. Nachdem Sokrates bereits drei Beweise für die Unsterblichkeit aufgeführt hat, richtet er abschließend an einen seiner Schülern mit dem Namen Kebes folgende Frage:

Sokrates: "Was tritt in einem Körper auf, so dass dieser lebendig sein wird?"
"Die Seele" antwortete er.
"Ist das nun immer der Fall?"
"Aber natürlich", sagte er.
"Was die Seele also auch immer besetzt, zu dem kommt sie immer, indem sie Leben bringt?"
"So kommt sie in der Tat", erwiderte er.
"Ist nun dem Leben etwas entgegengesetzt oder nicht?"
"Sicher", sagte er.
"Was?"
"Der Tod."
"Nun wird die Seele das Gegenteil dessen, was sie immer einbringt, auf keinen Fall jemals annehmen, wie sich aufgrund der vorigen Übereinstimmungen ergibt?"
"Auf gar keinen Fall", gab Kebes zur Antwort.
"Nun gut, und wie werden wir das nennen, was den Tod nicht annimmt?"
"Unsterblich", sagte er.
"Nun nimmt doch die Seele den Tod nicht an?"
"Nein."
"Also ist die Seele unsterblich?"
"Unsterblich."
"Nun gut", sagte er. "Wollen wir erklären, dass dies jedenfalls bewiesen worden ist? Oder was meinst Du?"
"Aber wirklich zur Genüge, Sokrates."

Kriton fragt Sokrates schließlich:
"Aber wie sollen wir dich bestatten?"

"Wie immer ihr wollt", sagte Sokrates.
"Vorausgesetzt, ihr bekommt mich zu fassen und ich bin euch nicht entwischt." Dabei lachte er vor sich hin, sah uns an und sagte: "Ich bringe den Kriton einfach nicht dazu zu glauben, dass ich der Sokrates bin, der eben jetzt diskutiert und jede Äußerung richtig einordnet; er glaubt vielmehr, dass ich jener bin, den er ganz bald als Leichnam sehen wird, und fragt dann, wie er mich bestatten soll.

Dass ich aber vorhin ausführlich geschildert habe, dass ich nach der Einnahme des Giftes nicht mehr bei euch sein, sondern zu den Freuden der Seligen fortgegangen sein werde, das scheint ihm entgangen zu sein. Du sollst wissen, mein lieber Kriton, dass eine derart unrichtige Redensweise nicht nur anstößig ist, sondern auch eine schlimme Wirkung in unseren Seelen hat. Du solltest vielmehr zuversichtlich sein und sagen, dass du nur meinen Körper bestattest: bestatten sollst du ihn so, wie es dir recht ist und wie es deiner Meinung nach am ehesten dem allgemein Üblichen entspricht."

(Theodor Ebert aus "Platon Phaidon")


Eingereicht von:


Christine Schön
Totenmasken & Fingerabdruck
www.wesens-art.de

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